Sie atmet tief ein, mit der Pfeilspitze visiert sie den Busch an, welcher grade geraschelt hat. Wie in Zeitlupe wartet sie darauf, dass sich das Wesen, welches sich dort versteckt, zeigt. Ihr Blick ist vollkommen darauf fokussiert. Und dann, der Moment, ein Millimeter zeigt sich. Eine wütende Frau stolpert heraus und schreit wie angestochen. Lydia senkt enttäuscht den Bogen, doch kein Abendessen.

Sie setzte sich wieder hin und nahm die letzten Schnitte an ihrer neuesten Holzskulptur vor. Während sie diese in den Händen hielt, schweifte sie mit ihren Gedanken ab. Dass sie jemals nach der Krone streben würde, hätte sie nicht gedacht. Doch jemand musste den Wald schützen! Immer mehr Leute drangen in das Innere vor und zerstörten diese heilige Natur. Die anderen Kandidaten hatten kein Interesse daran, dieses wertvolle Stück Erde zu schützen. Lydia legte die frisch geschnitzte Krone zu ihren anderen Figuren ins Regal und ließ ihren Blick aus dem Fenster ihres Baumhauses gleiten.

Klick, eine Ihrer Fallen löste aus. Blitzschnell hatte sie ihren Bogen erneut in der Hand. Er war gespannt und sie bereit zu schießen. Es war aber nur wieder dieses einfältige Mädchen, welches sich seit geraumer Zeit schon in ihrer Umgebung aufhielt. Diese Person verstand anscheinend nicht, dass sie hier nicht willkommen war, aber wahrscheinlich war sie es auch nirgendwo anders, deswegen tolerierte Lydia sie. Gerade so. Sie schien stark zu sein, und würde sich aus der Bärenfalle schon wieder von allein befreien können. Aus Lydias Sicht gab es zwei Arten von Wesen: nützliche, wie der kleine Tollpatsch, welcher sie mit Giften für ihre Pfeile versorgte, und nutzlose.
Nun gut, es war an der Zeit zu trainieren. Sie ignorierte das Geschrei der wütenden unten und visierte eine hölzerne Scheibe mit verschieden farbigen Ringen darauf an. Noch bevor das ungeübte Auge blinzeln konnte, steckte der Pfeil in der Mitte der Scheibe. Sie war gut und das wusste sie auch. Seit sie denken kann war sie auf sich gestellt und darauf angewiesen gut zu sein, aber ihr war klar, dass sie ihre Gegner nicht unterschätzen durfte. Also musste sie sich mehr als sonst vorbereiten.